Internationaler Tag der Arbeit

Der Kampf gegen informelle und schlecht bezahlte Arbeit

Der Kampf gegen informelle und schlecht bezahlte Arbeit

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Asimeng, Theodore / Alexander Stöcker
Die aktuelle Kolumne (2024)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 29.04.2024

Bonn, 29. April 2024. Am „Tag der Arbeit“ einem der ältesten und meist verbreiteten Feiertage, werden die Errungenschaften der Arbeiterschaft gefeiert. Für die meisten Menschen, die in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMIC) im informellen Sektor tätig sind, gibt es jedoch wenig zu feiern, denn eine stille, aber allgegenwärtige Epidemie in Form von niedriger Bezahlung trotz harter täglicher Arbeit greift um sich.

Ein kürzlich veröffentlichter OECD-Bericht liefert erschütternde Erkenntnisse: Fast 60% der weltweiten Erwerbsbevölkerung sind im informellen Sektor tätig, in vielen Ländern mit niedrigem Einkommen sogar über 90%. Während einige davon ein relativ hohes Einkommen erzielen können, leidet ein Großteil unter der Doppelbelastung aus Informalität und niedrigem Einkommen. Viele dieser Arbeiter*innen zählen zu den sogenannten Armen trotz Erwerbstätigkeit (Working Poor). Besonders häufig gehören Frauen, Migrant*innen, Geringqualifizierte und Minderheiten zu dieser Gruppe.

Noch schwerer wiegt, dass es nahezu unmöglich ist, der Spirale nach unten zu entkommen, da den Menschen im informellen Sektor entweder die Qualifikationen oder die von den Arbeitgebern geforderten Zertifikate fehlen. Darüber hinaus betrifft die Informalität auch nachfolgende Generationen, da Kinder aus Haushalten, in denen informelle Arbeit die Norm ist, bei der Aufnahme einer formellen Beschäftigung mit vielen Hindernissen konfrontiert sind. Die neu entstehende digitale Wirtschaft wird oft als Lösung für Informalität gepriesen, doch zeichnet ein kürzlich veröffentlichter Bericht der IAO ein gegensätzliches Bild.

Informalität hat zur Folge, dass Arbeiter*innen keinen Zugang zu sozialer Absicherung und Beschäftigungsschutz haben und keine oder wenig Steuern zahlen. Zudem ist der Sektor weniger effizient, was sich auf das Wirtschaftswachstum auswirkt. Die Gewinne werden nicht in Unternehmenswachstum und die Lösung der oben genannten Probleme reinvestiert.

Was kann und sollte gegen informelle Beschäftigung getan werden?

Doch Lösungen hierfür sind möglich, sofern Politiker*innen und andere Akteure zu entschlossenem Handeln bereit sind. Es hat sich gezeigt, dass Maßnahmen, die sich ausschließlich auf die Reduzierung der Informalität konzentrieren, unwirksam sind. Politiker*innen müssen anerkennen, dass manche Beschäftigte mittelfristig im informellen Sektor verbleiben werden, doch zumindest können die Arbeitsbedingungen dort verbessert werden. Dafür bedarf es gezielter Maßnahmen, die auf die besonderen Bedürfnisse der verschiedenen Gruppen im informellen Sektor zugeschnitten sind.

Während viele Arbeiter*innen in LMICs unfreiwillig informell beschäftigt sind, haben sich andere bewusst dafür entschieden, da die Kosten einer formellen Anstellung deren Vorteile übersteigen. Deshalb sollten drei Ziele verfolgt werden. Erstens müssen die Hindernisse beseitigt werden, die der Schaffung formeller Arbeitsplätze entgegenstehen, etwa durch die Einrichtung von Steuer-, Sozialversicherungs- und Regulierungssystemen, die einen schrittweisen Übergang in den formellen Sektor ermöglichen.

Zweitens muss es für freiwillig informell Beschäftigte einfacher werden, eine formelle Tätigkeit aufzunehmen, etwa durch niedrigere Formalisierungskosten sowie Anreize, wie den Zugang zu hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen und zuverlässigen Sozialversicherungssystemen. Drittens ist die Steigerung der Produktivität entscheidend, wofür Reformen in den Bereichen Bildung, Innovation, Geschäftsklima und Stadtplanung nötig sind.

Darüber hinaus können Regierungen informell Beschäftigte ermutigen und sie dabei unterstützen, von der Informalität abzulassen und Leistungen zu erhalten, die den von formell Beschäftigten ähneln. Ein Bericht der OECD/IAO liefert überzeugende Empfehlungen für den Übergang zu formeller Arbeit. Doch obgleich die IAO Regierungen bei diesem Vorhaben unterstützt hat, wurden bisher nur minimale Erfolge erzielt. Die Aufgabe ist komplex. Daher denken wir, dass ein Top-Down-Ansatz, der auf einen schnellstmöglichen Übergang setzt, nicht praktikabel ist. Ein gezielter, kooperativer, schrittweiser Ansatz hingegen könnte einen Weg bieten, dem Teufelskreis aus informeller Arbeit und niedrigem Einkommen zu entkommen. Die Landesprogramme für menschenwürdige Arbeit (DWCP) der IAO und ähnliche Programme können einen solchen Ansatz übernehmen.

Bei diesem schrittweisen Ansatz müssen Regierungen und Entwicklungspartner anerkennen, dass sie eng mit Gewerkschaften und Arbeiterverbänden zusammenarbeiten müssen, um Lücken in den Bereichen Sozialschutz, Bildung, Anerkennung von Qualifikationen und Höherqualifizierung schließen zu können. Wenn Sozialschutzsysteme von solchen Vereinigungen unterstützt werden, würden das Vertrauen und die Zahl der arbeitenden Mitglieder und deren Beträge wachsen. Gleichzeitig könnten Bildungsprogramme und Maßnahmen zur Anerkennung von Qualifikationen gezielter auf die Bedürfnisse der verschiedenen Gruppen von informell Beschäftigten, z. B. Frauen, Migrant*innen und Minderheiten, ausgerichtet werden.

Letztendlich erfordert die Bekämpfung der informellen und schlecht bezahlten Arbeit eine gemeinsame Anstrengung von politischen Entscheidungsträger*innen, Durchführungsorganisationen, Entwicklungspartnern und Forschenden. Nur durch gemeinsames Handeln können wir den Weg in eine Zukunft ebnen, in der alle Arbeiter*innen, unabhängig von ihren Lebensumständen, die Möglichkeit haben, sich zu entfalten.

Über die Autor*innen

Asimeng, Emmanuel Theodore

Stadtplanung, Nachhaltigkeit

Asimeng
Stöcker

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