Pandemieabkommen in Gefahr?

Der Weg zu einem gerechten Pandemieabkommen

Der Weg zu einem gerechten Pandemieabkommen

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Strupat, Christoph / Remco van de Pas
Die aktuelle Kolumne (2024)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 07.05.2024

Bonn, 7. Mai 2024. In den kommenden Wochen stehen die Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kurz vor dem Abschluss der Verhandlungen über die bedeutendsten Reformen in der globalen Gesundheitspolitik der letzten Jahrzehnte. Sie zielen auf die Finalisierung eines Pandemieabkommens sowie die Änderung der Internationalen Gesundheitsvorschriften während der Versammlung der Weltgesundheitsversammlung (WHA) im Mai.

Scheitert die Einigung auf ein gerechtes Pandemieabkommen, könnte dies zu erheblichen Risiken für die öffentliche Gesundheit führen und das Vertrauen in die globalen Gesundheitseinrichtungen schwächen. Um die Verhandlungen erfolgreich abzuschließen, ist es wesentlich, aus den Erfahrungen der Corona-Krise zu lernen. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass globale Gesundheitssicherheit nur dann gewährleistet werden kann, wenn Prävention, Vorbereitung und Reaktion auf Pandemien (PPR) als globales Gemeingut angesehen werden. Die Beachtung von Dringlichkeit und Inklusivität während der Verhandlungen ist darüber hinaus gleichermaßen entscheidend. Das Ziel, sich noch in diesem Monat auf ein Abkommen zu einigen, erscheint jedoch derzeit alles andere als sicher. Dies liegt vor allem an den gegensätzlichen Positionen zwischen Ländern mit hohem Einkommen (HICs) und Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMICs).

Wir gehen derzeit davon aus, dass es lediglich ein Rahmenabkommen für die Konsensbereiche geben wird. Strittige Klauseln wurden bereits aus den letzten Entwürfen des möglichen Abkommens gestrichen. Es bleibt nun abzuwarten, wie basierend auf diesem möglichen Rahmenabkommen die drängendsten Fragen in den kommenden Jahren adressiert und gelöst werden.

Zu den drängendsten Streitfragen zwischen HICs und LMICs gehört an erster Stelle das Zugangs- und Nutzungsverteilungssystem für Pathogene (PABS). Dieses System soll sicherstellen, dass Länder, die genetische Sequenzen und Proben von Pathogenen teilen, gerechten Anteil und Zugang zu den daraus hervorgehenden medizinischen Produkten (Impfstoffe usw.) erhalten. An zweiter Stelle stehen die Details der Implementierung eines One Health-Ansatzes als tiefgreifende Strategie zur Pandemieprävention, um die Gesundheit von Menschen, Tieren und Umwelt miteinander zu verbinden. Und schließlich wird sich die zukünftige Diskussion auf den Finanzierungsmechanismus konzentrieren, also darauf, wie die Länder zusätzliche finanzielle Mittel für die Pandemieprävention bereitstellen werden.

Aus unserer Sicht sollten diese Punkte bei künftigen Verhandlungen folgendermaßen adressiert werden:

Der derzeitige PABS-Entwurf sieht vor, dass LMICs 20 % der Gesundheitsprodukte über die WHO erhalten (je 10 % als Spende und zu ermäßigten Preisen), die auf Grundlage geteilter Daten zu Erregern entwickelt wurden. Das ist ein Schritt nach vorn, reicht für einen gerechten Vorteilsausgleich jedoch nicht aus. Deutlich zielführender wäre ein globaler Mechanismus zur Teilung von Wissen und geistigen Eigentumsrechten, der dem globalen Gemeinwohl dient. Zu diesem Zweck bietet sich der Medicines Patent Pool (MPP) an, den die International Drug Purchase Facility (UNITAID) eingerichtet hat. Der MPP verbessert den Zugang zu Arzneimitteln durch Verhandlungen mit Pharmaunternehmen über die gemeinsame Nutzung ihrer Patente im Austausch gegen eine Gebühr oder den Zugang zu anderen Patenten innerhalb des Pools. Länder, in denen Impfstoffhersteller angesiedelt sind, die öffentliche Gelder erhalten haben (wie die 31,9 Mrd. US-Dollar für mRNA-COVID-19-Impfstoffe in den USA), sollten diese Unternehmen dazu aufrufen, im Rahmen eines weiter gefassteren Pandemieabkommens ihre Patente in den MPP einzubringen.

Verbindliche One Health-Bestimmungen und eine effektive Prävention künftiger Pandemien sind der „Africa Group“ und den Mitgliedstaaten der „Group for Equity“ zufolge nur erreichbar, wenn LMICs Geld und Ressourcen für ihre Umsetzung erhalten. Dies entspricht dem Prinzip der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortung des Pariser Klimaabkommens, das jedoch aus dem aktuellen Entwurf des Pandemieabkommens gestrichen wurde. Für eine gerechte Unterstützung und wirksame Prävention sollte dieses Prinzip dringend wieder aufgenommen werden.

Zur Gesundheitsfinanzierung setzen EU-Mitgliedstaaten auf bestehende freiwillige globale Mechanismen, wie den Pandemiefonds oder die Impfallianz GAVI. LMICs fordern hingegen einen neuen, über das WHO-Pandemieabkommen geregelten Finanzierungsmechanismus und verpflichtende Beiträge für Mitgliedstaaten. Generell dürfte die Schaffung zusätzlicher Finanzierungsmechanismen mit ähnlichem Zweck eher schaden, da es Überschneidungen mit anderen Fonds gibt und die ohnehin schon knappen internationalen Mittel noch weniger gebündelt zum Einsatz kommen. Stattdessen sollte die Kapazität der bestehenden Finanzierungsmechanismen erhöht werden. Eine nachhaltige Lösung wäre es, den etablierten Pandemiefonds als Finanzierungsmechanismus für den Pandemievertrag zu nutzen, verbunden mit einer umfassenden Reform der globalen Gesundheitsfinanzierungsarchitektur. Diese Reform sollte einen „normativen Wandel“ von einer geberorientierten Politik hin zu einem auf den Menschen ausgerichteten Ansatz fördern, der regionale und nationale Kapazitäten stärkt.

Das Zeitfenster für die Einigung auf ein gerechtes internationales Pandemieabkommen könnte bald schließen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die WHO-Mitgliedstaaten diesen kritischen Moment nutzen, um zeitnah ein umfassendes, inklusives und effektiv umsetzbares Abkommen zu erzielen.
 


Remco van de Pas ist Senior Research Associate am Centre for Planetary Health Policy (CPHP). Bevor er zum CPHP kam, war er als Forscher und Dozent für globale Gesundheitspolitik am Institut für Tropenmedizin in Antwerpen tätig.

Christoph Strupat ist Senior Researcher und Projektleiter am German Institute of Development and Sustainbility (IDOS). Als Gesundheitsökonom führt er Forschungen und Projekte in den Bereichen Globale Gesundheit, One Health und soziale Sicherung durch.


 

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Strupat

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