Stier trifft Drachen: über die Schwierigkeiten einer strategischen Partnerschaft zwischen der EU und China

Stier trifft Drachen: über die Schwierigkeiten einer strategischen Partnerschaft zwischen der EU und China

Download PDF 47 KB

Hackenesch, Christine
Die aktuelle Kolumne (2009)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 02.06.2009)

Bonn, 02.06.2009. Die Beziehungen zwischen der EU und China durchliefen jüngst unruhige Zeiten. Der gemeinsame Gipfel wurde im letzten Jahr von der chinesischen Führung aus Protest gegen ein Treffen zwischen dem französischen Präsidenten Sarkozy (damals EU-Ratspräsident) und dem Dalai Lama abgesagt. Der verspätete Gipfel in Prag am 20. Mai 2009 diente nun als Gelegenheit zu zeigen, dass die EU und China dabei sind, sich auszusöhnen. Dennoch, beide Seiten waren außerstande, eine gemeinsame Abschlusserklärung zu unterzeichnen – ein klarer Hinweis darauf, dass Differenzen in den bilateralen Beziehungen fortbestehen.

Wenngleich die 2003 gegründete strategische Partnerschaft Abhängigkeiten und Interaktionen zwischen der EU und China verstärkt hat, zog dies nicht automatisch politische Gewinne nach sich. Im Gegenteil: die Intensivierung der bilateralen Beziehungen scheint eher zu einem Anstieg politischer Unstimmigkeit geführt zu haben.

Europas enttäuschte Erwartungen
Europäische Politiker und Medien sind in ihrer Diskussion über China kritischer geworden. Chinas internationaler Einfluss und Macht werden als signifikant steigend gesehen, während Chinas wirtschaftliche Entwicklung mehr und mehr als eine Herausforderung und weniger als Chance betrachtet wird. Aus europäischer Perspektive werden Hauptprobleme wie das hohe Handelsdefizit nicht adäquat bearbeitet. Ein zusätzlicher Kritikpunkt ist Chinas politische Entwicklung: Europäische Akteure werden sich mehr und mehr der Tatsache bewusst, dass europäische Politik gegenüber China – basierend auf der Idee, dass die EU Chinas innere Entwicklung und internationales Verhalten beeinflussen könne – nicht sehr erfolgreich ist. Europäische Wissenschaftler kritisieren zudem, dass die EU-Außenbeziehungen gegenüber China reformiert werden müssen. Kurz gesagt: Die strategische Partnerschaft zwischen der EU und China bleibt hinter den europäischen Erwartungen zurück.
China: kritisch gegenüber europäischen Forderungen
Die Chinesen sehen dagegen die Beziehungen zu Europa deutlich positiver. Für Peking ist die EU ein zunehmend wichtiger internationaler Akteur, auch wenn Macht und Einfluss der EU in den einzelnen Politikbereichen unterschiedlich stark sind. China betrachtet die EU primär als ökonomische und technologische Macht. Obgleich die EU ihre Position bei wichtigen Fragen wie dem Waffenembargo oder der Bewilligung des Marktwirtschaftsstatus gegenüber Peking nicht geändert hat und trotz der Höhen und Tiefen der bilateralen Beziehungen, rührt die chinesische Frustration vielmehr aus den wachsenden europäischen Erwartungen in Hinsicht auf Chinas internationale Verantwortung.

Steigende europäische Erwartungen werden als unfair und übermäßig anspruchsvoll bezeichnet, weil sie nicht berücksichtigen, dass China immer noch in einer schwierigen Phase seiner eigenen Entwicklung sei und innerhalb seiner beschränkten Möglichkeiten bereits Verantwortung übernehme. Ferner finden chinesische Politiker, dass das Land zum Teil in unfairer Weise als Sündenbock für politische Angelegenheiten im nationalen Diskurs in den EU-Mitgliedsstaaten benutzt wird.

Gegenwärtige Probleme in europäisch-chinesischen Beziehungen: Primär ein europäisches Problem?
Europa und China haben unterschiedliche Erwartungen und Vorstellungen ihrer bilateralen Beziehungen. Jedoch scheint Europa ein größeres Problem mit den europäisch-chinesischen Beziehungen zu haben. Woran liegt das?

Europa und China sind sehr unterschiedliche internationale Akteure. Die EU will ein "post-moderner Akteur" sein, der darauf abzielt, die Erfahrungen seines Integrationsprozesses auch in seinen Außenbeziehungen zu propagieren. Die EU fördert daher regionale Integration, beispielsweise in Asien oder Afrika und wirbt für „effektiven Multilateralismus“ in internationalen Beziehungen, wie er in der europäischen Sicherheitsstrategie 2003 festgeschrieben wird. Dies schließt auch die Förderung von Demokratie und Menschenrechten in internationalen Beziehungen ein. Gleichzeitig hat die EU traditionelle Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen und kämpft darum, diese mit dem Bestreben eine normative Macht zu sein, in Einklang zu bringen. China ist dagegen ein klassischer Nationalstaat. Die chinesische politische Führung betrachtet internationale Beziehungen hauptsächlich aus einer realistischen und eher traditionellen Perspektive. Die chinesische Regierung erklärt zwar, Multilateralismus grundsätzlich zu unterstützen. Sie ist allerdings sehr zurückhaltend wenn es darum geht, andere Dimensionen des „effektiven Multilateralismus“ zu unterstützen, wie beispielsweise die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen – zumindest, sobald dies einen direkten Einfluss auf die nationale Souveränität Chinas ausübt.

Gegenwärtige Schwierigkeiten in europäisch-chinesischen Beziehungen scheinen weitgehend ein Problem der Europäer zu sein: Das Verhältnis zu China ist ein Test für die Fähigkeit der EU, sich in internationalen Beziehungen entlang seiner Vorstellungen zu engagieren und diese gemäß seiner Vorstellungen zu gestalten. Ein Misslingen würde auch den Erfolg der Konzeption europäischer Auslandsbeziehungen in Frage stellen. Dies konfrontiert die EU letztlich mit der Frage, ob und in welchem Ausmaß Europa bereit ist, Zugeständnisse bei der Anwendung grundsätzlicher Werte und Prinzipien zu machen. Die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen der EU und China erfordert nicht nur ein tieferes Verständnis der Positionen der Partner. Die EU muss auch Fortschritte in der Gestaltung ihrer Außenbeziehungen machen.

Über die Autorin

Hackenesch, Christine

Politikwissenschaft

Hackenesch

Weitere Expert*innen zu diesem Thema