China-Pakistan Economic Corridor (CPEC)

Ein Jahrzehnt chinesisch-pakistanischer Entwicklungspartnerschaft: Erfolge und Ausblick

Ein Jahrzehnt chinesisch-pakistanischer Entwicklungspartnerschaft: Erfolge und Ausblick

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Ali, Murad
Die aktuelle Kolumne (2023)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 19.09.2023

Bonn, 18. September 2023. Keine andere Initiative stand seit ihrem Start 2013 derart im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit wie Präsident Xi Jinpings „Belt and Road Initiative“ (BRI). Weltweit haben sich kaum ein politischer Thinktank oder eine wissenschaftliche Einrichtung nicht mit diesem Vorhaben auseinandergesetzt.


Eine der Hauptadern dieser Neuen Seidenstraße bildet der China-Pakistan-Wirtschaftskorridor (CPEC) mit Investitionen im Wert von 62 Milliarden USD für die Errichtung von Kraftwerken, Infrastrukturen und Sonderwirtschaftszonen (SWZ). Die pakistanische Staatsführung bezeichnete das Projekt angesichts des beispiellosen Umfangs der Investitionen und Zusagen aus China als „Game Changer“ und „Fate Changer“ und erhoffte sich im Zuge einer verstärkten regionalen Vernetzung einen Wandel in der allgemeinen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Doch diese Einschätzung ist offenbar zu optimistisch, denn sie lässt außer Acht, dass mit den aktuellen geopolitischen Spannungen in der Region das Ziel einer regionalen Konnektivität und eines wirtschaftlichen Wandels über eine von China finanzierte Infrastruktur in weite Ferne gerückt ist.


Von den sechs Wirtschaftskorridoren der BRI weist der CPEC einige Besonderheiten auf. Erstens ist er der einzige Korridor, an dem der Landgürtel und die Meeresstraße in Gwadar aufeinandertreffen. Die Hafenstadt liegt strategisch günstig nahe des iranischen Hafens Tschahbahar und der Straße von Hormus – weltweit eine der strategisch wichtigsten Meerengen, über die täglich 30 Prozent der internationalen Seetransporte von Rohöl abgewickelt werden (S&P Global Commodity Insights, 2018). Zweitens ist der CPEC im Unterschied zu anderen BRI-Korridoren ein „Ein-Land-Korridor“, auf dem alle Infrastrukturprojekte ohne Drittstaatenbeteiligung durch Pakistan verlaufen. Drittens wurden auf dem Korridor mit dem Abschluss mehrerer Projekte bereits zahlreiche Zwischenziele erreicht.


Für 2023 haben die beiden Regierungen Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen des CPEC geplant. Chinas stellvertretender Ministerpräsident He Lifeng stattete Pakistan anlässlich der Gedenkzeremonie im Juli 2023 einen Besuch ab. In den vergangenen zehn Jahren konnten bedeutende Fortschritte erzielt werden: Insgesamt 26 Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von 17 Milliarden USD sind bereits abgeschlossen. Aktuell laufen 30 Projekte im Wert von 8,5 Milliarden USD, weitere 36 Projekte im Wert von 28,4 Milliarden USD sind geplant. Bislang wurden mit CPEC-Projekten in Pakistan direkt oder indirekt 200 000 Arbeitsplätze geschaffen, mehr als 6 000 MW zusätzlich in das nationale Netz eingespeist, etwa 809 km Straßeninfrastruktur errichtet und 886 km Stromtrassen installiert. Mit zahlreichen abgeschlossenen Projekten, darunter auch der Bau der ersten U-Bahn-Linie in der zweitgrößten Stadt des Landes, Lahore, ist der CPEC in Pakistan also ein gutes Stück vorangekommen.


Während das Land bei der Energieerzeugung und beim Bau von Straßeninfrastrukturen wesentliche Fortschritte erzielen konnte, ist die Entwicklung der neun innerhalb des CPEC priorisierten SWZ nur langsam vorangeschritten. Auch bei den geplanten Eisenbahnprojekten gab es keine nennenswerten Fortschritte. So ist beispielsweise der Bau der als Main Line-1 (ML-1) bekannten Eisenbahnlinie zwischen Peschawar und Karatschi ins Stocken geraten. Nach Fertigstellung der ML-1 können die Züge auf der Strecke deutlich schneller verkehren, wodurch sich die Fahrzeit zwischen Karatschi und Peschawar um die Hälfte verkürzt. Außerdem würde die neue Bahnlinie laut einer Veröffentlichung der pakistanischen Regierung von 2021 mehr als 170 000 neue direkte Arbeitsplätze schaffen. Nach ihrer Inbetriebnahme wird mit einem Anstieg der Frachtmengen um das Fünffache, von 5 Millionen auf 25 Millionen Tonnen jährlich, und mit einer Zunahme der Passagierzahlen von 55 auf 88 Millionen pro Jahr gerechnet. Verzögerungen und Nachverhandlungen haben die Kosten für die ML-1 auf 9,9 Millionen USD ansteigen lassen, was einem Zuwachs um mehr als 3 Milliarden USD oder knapp 45 Prozent gegenüber der ursprünglichen Kalkulation entspricht. Bei der Entwicklung des Eisenbahnsektors im Rahmen des CPEC konnte Pakistan also keine spürbaren Fortschritte erzielen.


Was das Ziel der regionalen Vernetzung anbelangt, bietet Pakistan mit seiner Lage am Schnittpunkt zwischen Zentral-, Süd- und Westasien den idealen Standort als Handels- und Logistik-Drehscheibe. Auch die Weltbank hat dies bereits anerkannt. Das Land selbst hat in mehreren Strategiedokumenten die Absicht verkündet, sein Potenzial als regionale Handels- und Logistik-Drehscheibe zu nutzen. Die geplante Ausweitung des CPEC auf den Binnenstaat Afghanistan könnte durch eine verstärkte Konnektivität einen wesentlichen Beitrag zu dieser Zielsetzung leisten. Mit der Aufnahme Afghanistans käme Pakistan seinem langgehegten Wunsch nach einer Ausweitung seiner Handels  und Wirtschaftsbeziehungen mit Staaten in Zentralasien näher. Darüber hinaus könnten zentralasiatische Binnenstaaten den pakistanischen Hafen von Gwadar nutzen. Pakistan bietet den Staaten Zentralasiens die kürzeste Landverbindung zu warmen Gewässern – die pakistanische Küste ist über Afghanistan etwa 2 600 km, über den Iran oder die Türkei dagegen 4 500 bzw. 5 000 km entfernt. Außerdem wollen China und Pakistan mit der Aufnahme Afghanistans in den CPEC die Stabilität in der Region sichern und ihre Wirtschaftsinteressen durchsetzen. Allerdings liegt noch kein konkreter Zeitplan vor, obwohl bereits alle drei Ländern dem Vorschlag zugestimmt haben.


Auch von der Aufnahme Indiens könnte ein Multiplikatoreffekt für die Initiative ausgehen. Dafür müsste Pakistan allerdings Indien einen Landzugang zu den Märkten in Afghanistan und Zentralasien gewähren. Sollte Indien einem Beitritt zum CPEC/BRI zustimmen, könnte dies auch eine Wiederbelebung von Initiativen wie der Gaspipeline zwischen Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien (TAPI) und dem Zentralasien-Südasien-Energieprojekt (CASA) mit Kirgistan, Tadschikistan, Afghanistan und Pakistan zur Folge haben. Die Verbindung zwischen energiereichen Staaten in Zentralasien und Staaten mit hohem Energiebedarf in Südasien bietet ein hohes Potenzial, und China verfügt über die entsprechenden Mittel, um derartige Initiativen zu fördern. Allerdings sind die Erfolgsaussichten sehr gering, da sich Indien bisher offiziell von der BRI ferngehalten hat. Neu-Delhi lehnt den CPEC ab, weil es die wachsende Rolle Chinas in seiner Nachbarschaft als Sicherheitsgefahr für die indische Vorherrschaft in der Region betrachtet. Vor diesem Hintergrund bleibt die geopolitische Lage, nicht nur zwischen Pakistan und Indien, sondern auch zwischen Peking und Neu-Delhi, weiterhin kritisch. Die aktuellen geopolitischen Spannungen in Südasien, die sich durch den Machtzuwachs Chinas in der Region weiter verschärfen, schaffen erschwerte Bedingungen für eine Stärkung der regionalen Konnektivität und des gemeinsamen Wohlstands.


Murad Ali ist ehemaliger Gastwissenschaftler im Forschungsprogramm "Inter- und transnationale Zusammenarbeit". Er ist Leiter des Department of Political Science der University of Malakand, Pakistan. Sie können ihn unter muradali.uom@gmail.com erreichen.

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