Neue Dynamik in der Süd-Süd-Kooperation

Neue Dynamik in der Süd-Süd-Kooperation

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Fues, Thomas
Die aktuelle Kolumne (2013)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 27.05.2013)

Bonn, 27.05.2013. Die Süd-Süd-Kooperation hat eine neue Bedeutung erlangt. Gründe dafür sind das steigende wirtschaftliche Gewicht und der wachsende politische Einfluss der Schwellenländer. Zwar gehört die Süd-Süd-Kooperation seit der Bandung-Konferenz von 1955 zum rhetorischen Standardrepertoire der G-77 und China. Aber erst jetzt erwächst daraus eine ernsthafte Herausforderung für die vom Westen dominierte Weltordnung. Vor diesem Hintergrund prägen zwei neue Trends die Süd-Süd-Kooperation: Zum einen zeigen sich Regierungen aus dem Süden bereit, die Entwicklungszusammenarbeit als eigenständiges Politikfeld zu behandeln – in Abgrenzung zu anderen Dimensionen der Süd-Süd-Kooperation wie Handel und Investitionen. Zum anderen haben die „neuen Geber“ den Wert des Erfahrungsaustausches untereinander erkannt. Diese Dynamik beginnt, die Vormacht der westlichen Geber auszuhöhlen. Und sie wirft grundsätzliche Fragen zur Zukunft des OECD-Entwicklungsausschusses (Development Assistance Committee – DAC) auf.

Bevor die Geber des Südens jedoch eine maßgebliche Rolle als kollektiver Akteur spielen können, müssen sie noch folgende Differenzen klären:

  • Ist Süd-Süd-Kooperation eine freiwillige Leistung oder Ausdruck einer globalen Verantwortungsgemeinschaft?

  • Richtet sich Süd-Süd-Kooperation ausschließlich auf einheimische Entwicklungsprozesse oder geht es dabei auch um globale öffentliche Güter?
  • Was ist der adäquate institutionelle Rahmen für Süd-Süd-Kooperation?

Unklare Konturen der Süd-Süd-Entwicklungszusammenarbeit

In der Vergangenheit wurde der Begriff „Süd-Süd-Kooperation“ für alle denkbaren Formen der Interaktion zwischen Entwicklungsländern verwendet. Dabei wurde keine Unterscheidung im Hinblick auf beteiligte Akteure und ihre Motive gemacht. Süd-Süd-Kooperation umfasst eine Vielfalt von Modalitäten, von privatwirtschaftlichen Marktbeziehungen bis zur Bereitstellung staatlicher Finanzmittel aus humanitären Gründen. Inzwischen sprechen die Regierungen von Süd-Süd-Entwicklungszusammenarbeit, wenn es um den einseitigen Transfer von öffentlichen Ressourcen geht. Eine präzise Definition dafür wurde aber noch nicht gefunden, da Viele im Süden das DAC-Konzept für Official Development Assistance (ODA) ablehnen.

Bislang wird Süd-Süd-Entwicklungszusammenarbeit weitgehend auf bilateraler Basis praktiziert. Defizite im Hinblick auf Transparenz und Wirkungsmessung sind häufig, da die Regierungen ihre „Hilfe“ (ein Ausdruck, der im Süden auf heftigen Widerstand stößt) für eine Vielzahl von außenpolitischen Zielen einsetzen. Auch hat die Rivalität zwischen den Schwellenländern den offenen Erfahrungsaustausch gehemmt. Jetzt haben das wachsende Volumen und die gestiegene Erwartungshaltung der Außenwelt zu einer Änderung der Einstellungen geführt. Ein neuer Geist der Zusammenarbeit motiviert Regierungen und Think Tanks zum Dialog über Konzepte und Normen. Allerdings müssen noch erhebliche Differenzen aus dem Weg geräumt werden, bevor ein gemeinsames Vorgehen möglich ist.

Kontroversen behindern gemeinsames Auftreten

Während einige Akteure im Süden die Freiwilligkeit ihrer Entwicklungsmaßnahmen betonen, sprechen andere von einer unabweisbaren globalen Verantwortung, die auch für den Süden gelte. Das Beharren auf Freiwilligkeit wird gespeist aus der Angst vor dauerhaften Zahlungsverpflichtungen. Auch im Norden sind solche Befürchtungen bekannt, da zahlreiche Geber sich zwar zum 0,7%-Ziel bekennen, aber letztlich doch wenig Bemühungen bei der Umsetzung erkennen lassen.

Bisher wird Süd-Süd-Entwicklungszusammenarbeit als Unterstützung für die einheimische Wirtschaft verstanden. Es ist offen, ob die südlichen Geber ihre Aktivitäten auch auf transnationale Herausforderungen richten wollen, um so zur Bereitstellung globaler öffentlicher Güter beizutragen. Nach Auffassung der Beteiligten ist die Ausrichtung auf die Nachfrage aus den Partnerländern ein wichtiges Merkmal der Süd-Süd-Entwicklungszusammenarbeit. Dies bedingt, dass Prioritäten auf Empfängerseite ausschlaggebend sind. In enger Interpretation könnte diese Orientierung („bottom-up“) im Widerstreit zu globalen Rahmenwerken („top-down“) wie die Millenniumsentwicklungsziele stehen. Die anstehenden Regierungsverhandlungen bei den Vereinten Nationen über die Post-2015-Entwicklungsagenda werden zeigen, ob die südlichen Geber ihre Aktivitäten in ein internationales Konzept einbringen wollen.

Zwar haben die Süd-Akteure Interesse an einem Politikdialog miteinander geäußert, aber sie sind sich noch uneins über den geeigneten institutionellen Rahmen dafür. Regionalorganisationen und regionale Entwicklungsbanken haben erste Schritte zum Erfahrungsaustausch über Süd-Süd-Entwicklungszusammenarbeit unternommen. Aber es existiert keine passende Plattform auf globaler Ebene. Die Idee eines südlichen DAC findet nicht viel Unterstützung, da auf diese Weise die beteiligten Länder mit dem unerwünschten Etikett „Geber“ versehen würden. Einige Stimmen setzen sich für das Development Cooperation Forum ein, aber andere lehnen die Vereinten Nationen wegen mangelnder Leistungsfähigkeit ab.

Klare Meinungsunterschiede gibt es hinsichtlich der nach dem Busan-Treffen gegründeten Globalen Partnerschaft für effektive Entwicklungszusammenarbeit. Länder wie Indonesien und Nigeria, die dort eine führende Rolle spielen, unterstreichen den universellen Charakter der neuen Organisation. Widerspruch kommt von großen Schwellenländern wie Indien, Brasilien und China, die wegen der von ihnen unterstellten Dominanz der OECD abseits stehen.

Wie sollen die westlichen Geber reagieren?

Politischer Druck auf die Schwellenländer wird angesichts der neuen Machtverhältnisse in einer multipolaren Welt nicht funktionieren. Es wäre klüger, wenn die westlichen Länder anerkennen, dass die Akteure aus dem Süden zunächst ihre eigenen Konzepte und Normen formulieren wollen, bevor sie mit dem Norden kooperieren. Das künftige Rahmenwerk der internationalen Entwicklungszusammenarbeit muss eine Zusammenführung von Werten, Zielen und Standards aus Nord und Süd repräsentieren, wenn es globale Akzeptanz finden soll. Wenn die westlichen Geber die Globale Partnerschaft zu einem Erfolgsmodell für inklusive Weltpolitik machen wollen, sollten sie den DAC auflösen und sich im neuen Netzwerk für universelle Prinzipien und Normen einsetzen.

Über den Autor

Fues, Thomas

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