Zwei Jahre russischer Angriffskrieg auf die Ukraine

Ukraine-Unterstützung: Europa darf nicht nachlassen

Ukraine-Unterstützung: Europa darf nicht nachlassen

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Bergmann, Julian
Die aktuelle Kolumne (2024)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 26.02.2024

Bonn, 26. Februar 2024. Am 24. Februar jährte sich der Beginn der umfassenden russischen Invasion in der Ukraine zum zweiten Mal. Tatsächlich markiert dieses Datum bereits den zehnten Jahrestag des russischen Krieges gegen die Ukraine, der 2014 mit der militärischen Besetzung der Krim begonnen hat. Ein Ende des Krieges, der schon so viel Leid und Zerstörung gebracht hat, ist nicht absehbar. Die Ukraine schaut aufgrund der schwierigen militärischen Lage in eine ungewisse Zukunft. Gerade jetzt darf Europa in seiner Unterstützung für das Land nicht nachlassen und sollte seine Anstrengungen intensivieren – auch beim bereits begonnenen Wiederaufbau der Ukraine und ihrer weiteren Integration in die Europäische Union (EU).

„Europa wird jeden einzelnen Tag des Krieges an der Seite der Ukraine stehen. Und an jedem Tag danach.“ So hat es Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen jüngst im Europäischen Parlament formuliert. Tatsächlich hat die Europäische Union im vergangenen Jahr enorme Anstrengungen unternommen, um die Ukraine politisch, militärisch und finanziell zu unterstützen. Die historische Entscheidung des Europäischen Rates vom 14. Dezember 2023, EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine zu eröffnen, war ein wichtiger Meilenstein für das Land und für die EU selbst.

Neben bereits erfolgten Waffenlieferungen im Wert von rund 28 Milliarden Euro beläuft sich die zivile Unterstützung der EU und ihrer Mitgliedstaaten auf bereits mehr als 60 Milliarden Euro seit Februar 2022. Hierunter fallen Budgethilfen an den ukrainischen Staat, humanitäre Hilfe, Leistungen für ukrainische Geflüchtete in der EU, aber auch Mittel für Wiederaufbaumaßnahmen wie zum Beispiel die Reparatur von Schulen, Krankenhäusern, Wohnungen oder Stromnetzen. Der Entwicklungszusammenarbeit kommt hier als zentrales Instrument für den Wiederaufbau eine wichtige geopolitische Rolle zu, da sie einen Beitrag zur Stabilisierung des Landes im Angesicht der russischen Aggression leistet.

Gleichzeitig ist bereits jetzt klar, dass das bisherige Niveau der geleisteten Hilfen nicht ausreichen wird, um die Ukraine in ihrem fortgesetzten Kampf gegen die russische Aggression und beim Wiederaufbau des Landes umfassend genug zu unterstützen. Letzterer wird nach aktuellen Schätzungen der Weltbank mindestens 486 Milliarden US-Dollar kosten.

Die Entscheidung der EU zur Einrichtung einer „Ukraine-Fazilität“, durch die man im Zeitraum 2024-2027 50 Milliarden Euro an Finanzhilfen für die Ukraine bereitstellen wird, ist enorm wichtig, um die finanzielle Stabilität des ukrainischen Staates zu sichern. Und angesichts der anfänglichen Blockadehaltung der ungarischen Regierung ist sie auch ein großer Erfolg für gemeinsames europäisches Handeln.

Jedoch werden die Mittel der Ukraine-Fazilität, die zu zwei Drittel aus Darlehen bestehen, vorrangig dafür benötigt werden, die jährliche Finanzierungslücke im ukrainischen Staatshaushalt zu schließen, damit weiter Gehälter und Pensionen ausgezahlt und staatliche Transferleistungen aufrechterhalten werden können. Nach Schätzungen beträgt das Staatsdefizit, das mit der Unterstützung internationaler Geber geschlossen werden muss, dieses Jahr mindestens 37 Milliarden US-Dollar. Die Finanzierung umfassender Wiederaufbaumaßnahmen wird mit der Ukraine-Fazilität in den nächsten Jahren daher nur begrenzt möglich sein, obwohl das Instrument auch dafür gedacht ist.

Auch könnte sich der Druck auf Europa – und insbesondere Deutschland – weiter erhöhen, sollte im November tatsächlich Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt werden. Seit Wochen blockieren die Republikaner im Kongress militärische und finanzielle Hilfen, auf die die Ukraine dringend angewiesen ist. Bei einem Wegfall der USA als wichtigsten Verbündeten der Ukraine wird die EU eine noch größere Verantwortung für die Unterstützung des Landes übernehmen müssen. Stand heute scheint sie darauf nicht gut vorbereitet zu sein. Exemplarisch dafür steht das weit verfehlte Ziel der EU, innerhalb eines Jahres eine Millionen Geschosse an Artilleriemunition für die Ukraine zu produzieren.

Mittelfristig wird die militärische, finanzielle und politische Unterstützung der Ukraine nur erfolgreich sein, wenn alle EU-Mitgliedstaaten dazu bereit sind, mehr und langfristig Geld für die Unterstützung der Ukraine bereitzustellen – sowohl bilateral als auch über den EU-Haushalt. Gefordert sind hier insbesondere auch Staaten wie Frankreich, Italien oder Spanien, die bisher eher zögerlich militärische und finanzielle Hilfe geleistet haben. Dies mag mit ihrem stärkeren Fokus auf andere Weltregionen wie Nord- und Subsahara-Afrika zu tun haben – doch die Konsequenzen eines russischen Sieges in der Ukraine wären überall in Europa zu spüren.

Die Verabschiedung des „Ukraine-Plans“, in dem die Ziele für die Umsetzung der Ukraine-Fazilität für den Zeitraum 2024-2027 festgelegt sind, könnte ein guter Ausgangspunkt für eine stärkere europäische Koordinierung der bilateralen, finanziellen Hilfen sein. Zudem sollte die Bundesregierung die bevorstehende Ukraine Recovery Conference in Berlin im Juni 2024 dafür nutzen, die europäische und internationale Gebergemeinschaft noch stärker für die Unterstützung der Ukraine zu mobilisieren.

Schließlich hängt sowohl über dem Wiederaufbau des Landes als auch über den bevorstehenden EU-Beitrittsverhandlungen der Schatten des Krieges. Daher ist auch eine Fortsetzung der militärischen Unterstützung unabdingbar, um den Ukrainer*innen überhaupt die Möglichkeit zu geben, ihre Vision einer freien und souveränen Ukraine innerhalb der EU zu verwirklichen.

Im Zuge des bevorstehenden Wahlkampfs zur Europawahl werden populistische Parteien die Ukraine-Hilfen sicher in Frage stellen. Europäische Politiker*innen sollten sich dieser Debatte bewusst stellen. Denn die Unterstützung der Ukraine ist nicht nur eine Frage der europäischen Solidarität – sie ist in unser aller Interesse zur Gewährleistung einer stabilen europäischen Sicherheitsordnung.

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